Projekttitel:
deutscher Projekttitel | Entwicklung eines Vorgehens zur Ermittlung gebundener Emissionen für die Planung im Bestand |
englischer Projekttitel | Development of an approach for co-processing gray emissions for planning in existing buildings |
Ideengeber*in:
Name | Alexander Werle, Felix Matschinske |
Organisation | ORTO, (Lucid GmbH) |
Adresse | Niederbarnimstraße 10 |
E-Mail (optional) | |
Telefon (optional) | +49(0)15152535353 |
Website (falls vorhanden) | www.orto.space |
Wie sind Sie auf DIN-Connect aufmerksam geworden? | Der Hinweis zum Wettbewerb und Empfehlung zur Teilnahme kam durch ein persönliches Treffen mit Philipp Albrecht (DIN) zustande. |
Potenzielle Projektpartner*innen
- Prof. Dr. Alexandra Troi, Simulation Bauphysik, Hochschule Bamberg
- Dr. Prof. Tatjana Schneider, Architektur- und Baugeschichte, Universität Bielefeld
- Hans Christian Ziebertz, TRNSFRM eG
- Dominik Braun, Innovation Manager, ECE Group
- Dr. Sebastian Bühring, Geschäftsführender Vorstand JOANES Stiftung
- Ralf Pimiskern, DNGB
- Michael Willimek, AHO
- Mark Surges, BIM Allianz e. V. (AK Nachhaltigkeit)
- Dominik Campanella, Concular
u. A.
Abstract
Umwelt- und Klimaschutz sind die drängenden Themen unserer Zeit. Energie-, und Ressourcenverbrauch sowie Emissionen müssen radikal gesenkt werden – nicht nur partiell, sondern in der Breite. Der Bausektor trägt mit fast 40 Prozent maßgeblich zur Gesamtbilanz weltweit bei. Einzelne besonders innovative und nachhaltige Neubauprojekte helfen hier nur bedingt dabei, die Nachhaltigkeitsziele der Bundesrepublik und Europas zu erreichen. Ökologische Herausforderungen werden so zu sozialen und systemischen Herausforderungen, bei der die Weiternutzung und Weiterentwicklung von Bestandsbau eine essentielle Rolle spielt.
Statt abzureißen und neu zu bauen, sollen vorhandene Immobilien für eine Umnutzung weiterentwickelt werden. Entsprechende Lenkungswirkungen finden sich im EU Green Deal, in der EU-Taxonomie sowie auch bereits durch normende Organe festgelegt. Im Wesentlichen zielen diese auf eine Senkung von CO2-Emission ab und damit auch auf die Berücksichtigung von Baumaterialien in Baubeständen, wie Beton und Stahl – dort wo 90 Prozent der Emissionen entstanden und gebunden sind.
Bauprojekte konzentrieren sich daher zunehmend auf die Sanierung von Bestand und es wird mehr Zeit für die Analyse von Bausubstanz bestehender Gebäude aufgewendet. Ein Meilenstein in Richtung zirkuläres Bauen, der aus Planung- sowie Entwicklungsperspektive an Dynamik gewinnt. Die Herausforderung ist jedoch, dass Werkzeuge, die Konstruktion und den gebundenen Kohlenstoff nur uneinheitliche und unzureichenden erfassen können. Als Folge entwickeln größere Planungsbüros proprietäre Softwarelösungen1, um auf den dringenden Bedarf einer Betrachtung von gebundenem CO2 im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsanalyse selbst zu reagieren.
Die Konsequenzen für Markteilnehmer sind vielseitig:
- Planungsbüros2 mit weniger Mitarbeitenden sind von der proprietären Entwicklung ausgeschlossen, da ihnen die Kapazitäten fehlen in Eigenentwicklungen zu investieren
- Analyse- und Annäherungsverfahren variieren und somit gibt es keine einheitlichen Grundlagen zur Prozess- und Honorarvereinbarung3 für Dienstleister der Bausubstanzanalyse
- Diversifikation von Datenstandards und Frameworks4 aufgrund von proprietären Eigenentwicklung, die dem Grundsatz zirkulärem Wirtschaftens entgegenwirken
- Hohes Innovationspotential in der Bau-, Software- und Vermessungsindustrie, das zu einer beschleunigten Umsetzung einer Cicular Economy zukünftig beitragen kann
Diese Einreichung wird befördert von der Vision einer Immobilienbranche, die alle an sie gesetzten politischen und gesetzlichen Erwartungen gerecht wird. Dafür ist ein einheitliches Verfahren zur Einschätzung von Bausubstanz für Immobilienentwickler*innen und Planer*innen und zugleich Werkzeuge für die Schlüsselindustrie Bau notwendig.
Die konkrete Ambition lautet:
- Beschleunigtes Verfahren zur Bausubstanzanalyse von Emissionseinsparungen im Rahmen einer Wirtschaftlichkeitsanalyse (Phase 0 - noch vor Rückbauabsicht)
- (Annäherungs-)Verfahren zur CO2-Messung in Bestand
- Ermöglichen von Interoperabilität der Datensätze durch Orientierung der Datenausgabeformaten4
- Einheitliches Verfahren zur Vorqualifizierung von Bestandsbau durch eine klare Verfahrensstruktur (DIN SPEC)
Als Hilfestellung bei der Entwicklung einer Orientierung dienen bereits beschriebene Normen, SPECs und Leitfaden u. a. DIN 267 zur Bauteiltypologisierung, DIN SPEC 91484 zum Erfassungsvorgehen oder DIN EN 15978 zur Definition quantifizierbarer Umweltauswirkungen, sowie auch Leitfaden der AHO zur Mitverarbeitung von Bestand. Notwendig ist jedoch ein kollaborativ erarbeitetes Framework, das die Bedürfnisse von Planer*innen und Entwickler*innen gleichermaßen deckt und dazu befähigt Bestand frühzeitig für eine zirkuläre Wertschöpfungskreisläufe zu qualifizieren.
Quellen
1 Das britische Konsortium UK Open Letter Group (Schwerpunkt Baugewerbe, u. A. Herzog & de Meuron, BIG Architects, KPF, usw.) verfasste einen offenen Brief mit der Forderung offener Datenstandards für Planungssoftware zur Minderung proprietärer Lösungen und zur Förderung von Interoperabilität zwischen Analyse- und Planungsphase (Juli 2023, https://future-aec-software-specification.com/)
2 90 Prozent der Architektur- und Planungsbüros haben weniger als 10 Mitarbeiter*innen (2022, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157603/umfrage/verteilung-der-groessen-von-architekturbueros-in-deutschland/)
3 Die AHO sieht in ihrem Leitfaden zur Honorarermittlung aktuell ausschließlich technische und gestalterische Mitverarbeitung vor. Umweltbezogene Analysen werden aktuell nicht berücksichtigt. Dies lässt Auftraggeber*innen und Auftragnehmer*innen Spielraum bei der Auslegung (2018, https://www.aho.de/publication/heft-1-2/)
4 Aktuell gibt es innerhalb der BIM-Software-Entwicklung ausgiebige Diskussion zur Nutzung von Universal Scene Description (USD), deren Einsatz Folgen für aktuelle Einbindung von Umweltdaten hätte (2023, https://openusd.org/release/intro.html)
Innovationsgrad
Welche Situation liegt aktuell wie vor?
Aktuell gibt es kein standardisiertes Verfahren zur Vergleichbarkeit von gebundenen Emissionen im Bestandsbau, die die Bewertungsrealität zwischen Auftragnehmer*innen und Auftraggeber*innen in der Phase 0 berücksichtigt.
Eine so genannte Kurzbilanz wird z. B. standardisiert bei der Ökobilanzierung von Kommunen genutzt, in der einfach zu ermittelnde statistische Daten herangezogen werden grobe Aussagen zu treffen. Ein entsprechendes Adäquat fehlt für die Planungsrabeit in Bestandsbau fehlt aktuell.
Welche Bedarfe und Lösungen (aktueller Stand der Wissenschaft und Technik) liegen bei welchen Marktteilnehmern*innen vor?
Bedarfe werden bei allen Planer*innen gesehen, die Planung und Umsetzung innerhlab Bestandgebäuden anbieten. Für diese gibt es zwar aktuelle Richtlinien und Empfehlungen vom Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung (AHO). Diese berücksichtigen jedoch nur technische und gestalterische Mitverarbeitung von Bauprodukten. Diese berücksichtigt nicht die Ermittlung von Emissionswerten in den Bauprodukten oder Vorgehen für eine gesamtheitliche Entscheidungsbildung.
Dazu gibt es zum aktguellen Zeitpunkt keine integrierte Lösung, die Bestandsdaten und Planungsdaten nutzergerecht verbindet. Ein offener Brief der UK Oben Letter Group macht das deutlich: https://future-aec-software-specification.com/)
Seitens Auftraggeber*innen bildet der zunehmend verbindliche Gebäuderessourcenpass (DGNB) Orientierung und DIN EN 15978 eine konkrete Ermittlungsmethode. Diese ist jedoch im Bestandsumbau für eine Erstbewertung von alten Gebäuden nicht geeignet.
Führende Marktteilnehmer von Gebäudeerfassung, wie z. B. Matterport, bieten zwar Dienstleistungen für die Erstellung digitaler Zwillinge, jedoch keine Analyse von Bestandsbau und Material.
Weshalb sind diese vorhandenen Lösungen nicht hinreichend genug?
Fehlende Vergleichbarkeit der Datenlage.
Software-seitigige Lösungen aus dem Kontext BIM oder Bauplanung berücksichtigen aktuell ausschließlich die Emissionwerte von Neubau.
Aktuelle Vorgehen wirken entgegen der Analyse- und Arbeitsrealität von Planer*innen.
Was ist der Fortschritt Ihrer Idee gegenüber dem Stand von Wissenschaft und Technik?
Aktuell gibt es noch kein vergleichbares Vorgehen, bzw. eine vergleichbare Lösung.
Bis dato gibt es Lösungselemente, die z. B. Bauproduktnormierungen, Messverfahren oder verwandte Orientierungsleitfaden zu Bestandsanalyse anbieten.
Ein Fortschritt gegenüber der aktuellen Lage, ist die Reduktion auf wesentliche Parameter und Messtechniken, die eine Kurzbewertung ermöglichen.
Ein weiterer Fortschritt ist die Reduktion der inhaltichen Ausarbeitung, im Speziellen für die Zielgruppe der Entwickler*innen und Planer*innern in der Frühphase und als Bestandteil einer Wirtschaftlichkeitsanalyse.
Welche themenverwandten Standards, technische Regeln, Normenausschüsse, Gremien, Foren und Konsortien sind Ihnen bekannt bzw. existieren bereits?
AHO, HOAI – Planen und Bauen in Bestand (2018)
DGNB, Gebäuderessourcenpass (2023)
DIN SPEC 91484:2023-09 (2023)
DIN EN 15804, Nachhaltigkeit von Bauwerken (2012)
DIN EN 15978, Methodik zur Bewertung (2012)
Beschreibung der Vorarbeiten: Welche Vorarbeiten sind vor einer möglichen Standardisierung Ihrer Idee noch zu leisten und mit welchem zeitlichen Faktor rechnen Sie hierbei?
Analyse (ca. 2-3 Monate)
- Stakeholder-Interviews mit Entwickler*innen und Entwerfer*innen, die Bestandsimmobilien entwickeln und entwerfen, sowie weiteren Stakeholder, die in der Phase 0 beteiligt sind
- Literatursichtung und Expert*innen-Interviews auf Grundlage der Bedürfnisse und Synthese bisheriger Standardisierungen und Verfahren
- Bilden von Hypothesen (HMWs) auf Grundlage der Recherche
Test (ca. 2 Monate)
- Konzepttest, Validierung und Falsifizierung der Hypothesen im Kreise der Stakeholder mit Hilfe einer noch zu definierenden Methodik
- Iteration der Zwischenergebnisse, Ergänzung und Übersetzung der Ergebnisse in einen Prozess- oder Werkzeug-Prototypen
Prototypisierung & Finalisierung (ca. 2-3 Monate)
- Ausarbeitung von Prozess-Prototypen, ggf. für unterschiedliche Bestandsumbaugrößen für einen Live Test
- Iteration der Ergebnisse, Übersetzung in eine Kommunikationsvorlage sowie in ein DIN SPEC-Format
Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Ihrer Idee und dem DIN-Connect Themenschwerpunkt?
Die Idee, bereits in der Wirtschaftlichkeitsanalyse gebundene CO2-Emissionen zu berücksichtigen und damit unmittelbar auf Eignung und Umbaukonzept zu wirken, befördert die Nutzung von Bestand im Sinne einer Circular Economy.
Die Schaffung von Transparenz und Vergleichbarkeit durch einheitliches Vorgehen spart Ressourcen seitens Auftraggeber*innen und Auftragnehmer*innen und befördert einen suffizienten Planungsprozess.
Einheitliche Datenqualität mindert das Risiko von Fehleinschätzung und befördert das Vertrauen seitens Entwickler*innen zur Erreichung der Klimaziele beitragen zu können.
Insbesondere werden Planer*innen in ihrer Beratungsqualität unterstützt den Transformationsprozess in der Immobilienbranche proaktiv zu fördern.
Nutzen und Ziele
Welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrer Idee?
Die Bevorzugung von Bestand gegenüber Neubau.
Welchen Nutzen generiert Ihre Innovation für welche Zielgruppen?
Zielgruppe Entwerfer*innen und Auftragnehmer*innen:
Effiziente Beratungsleistung in Phase 0 auf Grundlage verlässlicher Datenlage und Vorgehen. Einsparung von Ressourcen und Unabhängigkeit vom Investitionswillen der Auftraggeber*innen in die Untersuchung von CO2-Altlasten in Bestand.
Zielgruppe Auftraggeber*innen/Entwickler*innen:
Transparente Orientierung, die Vergleiche zulässt und die Arbeit mit gebundenen Emissionen in Phase 0 auf den Entscheidungstisch bringt.
Partner*innen (z. B. AHO, DGNB)
Grundlage für die Ergänzung von Leitfäden.
Wer profitiert von Ihrer Idee und dem daraus entwickeltem Standard?
Bauherren, Entwickler*innen und Planer*innen durch effiziente Bewertung.
Datenbankvermittler*innen und Rückbauspezialist*innen durch Vorqualifizierung des Baubestands.
Vermittler und Intermediäre (z. B. Vermessungtechniker*innen) durch vereinfachte Bauprodukterfassung.
Wie werden die Ergebnisse nach Projektabschluss verwertet?
Nach Projektabschluss soll die Erstellung einer DIN SPEC erfolgt sein.
Skizzieren Sie bitte die europäische/internationale Bedeutung
Die Ergebnisse und das Vorhaben zahlen auf die Zielsetzungen des EU Green Deal ein (Dekarbonisierung von Gebäuden) sowie auf die globale Zielsetzung der 17 SDGs.
Deutschland als größter Markteilnehmer im europäischen Raum bietet Ansätze zur Transformation der Bauindustrie.
Skizzieren Sie bitte die Markt- und gesellschaftliche Relevanz
- Im Speziellen soll das vereinfachte Verfahren zu einem gleichberechtigen Zugang zu Beratungsleistung von Planungsbüros beitragen
- Der Leitfaden/das Verfahren bietet Innovationspotential für Erfassungsdienstleistungen, unabhängig von Bauunternehmenszugehörigkeit
- Vereinheitlichung bietet Beschleunigungspotential für die Umsetzung einer Circular Economy
Kompetenzen und Ressourcen
ORTO ist ein Start-up, das eine Open-Source-basierte Plattform für die Erfassung von Bestandsgebäuden und Bauprodukte entwickelt. Als Experte für digitale Erfassung von Oberflächen und kollaborative Planung in Bestand, arbeitet ORTO in Austausch mit Spezialist*innen für technische Raum- und Oberflächenerfassung, Plattformentwicklung sowie Gestaltungsoberflächen (UX).
ORTO ist ein Intermediär zur Vermittlung zwischen Projektentwickler*innen und Gestalter*innen und fördert eine transdisziplinäre Zusammenarbeit, u. a. durch Integration von BIM-Software, Abgleich von Bestandsaufnahmen (3D Punktwolken) und Cloud-Dienstleistungen – plattformunabhängig.
Kernkompetenzen:
Felix Matschinske (Architekt & Software Engineer, M.Sc.)
Alexander Werle (Industrial Design & Sustainability Manager M.A.)
Zusagen weiterer Expert*innen zum aktuellen Zeitpunkt:
- Prof. Dr. Olaf Huth, Digitale Denkmaltechnologie (HS Coburg)
- Prof. Dr. Alexandra Troi, Simulation Bauphysik (HS Bamberg)
- Dr. Sebastian Bühring, Geschäftsführender Vorstand JOANES Stiftung
- Mark Surges, BIM Allianz e. V. (AK Nachhaltigkeit)
- Hans Christian Ziebertz, TRNSFRM eG
Weitere Expert*innen wurden bereits angefragt. u. A. DNGB, AHO, Concular
Standardisierungsscope/Anwendungsbereich
Der Standard definiert Anforderungen an die Bestimmung gebundener Emission im Bestandsbau in Phase 0 als Grundlage für eine Mitverarbeitung der Bauplanung für die Bauindustrie und Immobilienwirtschaft.