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Circular Economy-Interessierte auf DIN.ONE

In unserer Normungsroadmap Circular Economy arbeiten wir nicht nur in den Arbeitsgruppen, sondern orientieren uns auch an den R-Strategien. Diese sind Strategien, die den Verbrauch von natürlichen Ressourcen reduzieren und die Kreislaufführung von Materialien unterstützen, wodurch die Entstehung von Abfall verringert wird (vgl. Potting et al. 2017, S. 4). Diese werden als Kerngerüst der Transformation hin zur Zirkulären Wertschöpfung angesehen. Im Folgenden soll auf das 9R-Framework, das auch in UN-Publikationen Anwendung findet, eingegangen werden, um deutlich zu machen, wie Normung in den verschiedenen Strategien wirken kann. Bitte sehen Sie die Ausführungen als Beispiele an. Eine Detaillierung findet in den jeweiligen AGs statt.

9R-Framework, das auch in UN-Publikationen Anwendung findet (basierend auf Potting et al. (2017)) als Ausgangspunkt für Gliederung der auszuarbeitenden Handlungsempfehlungen


Refuse: Auf ein Produkt verzichten oder die gleiche Funktion mit einem radikal anderen (z.B. digitalem) Produkt oder Dienstleistung ersetzen. 

Verzicht oder Reduktion der Verwendung von Rohstoffen, Gestaltung von Produktionsprozessen zur Vermeidung von Abfall.

Anknüpfung an Normung

  • umweltbewusste Produktgestaltung
  • Prinzipien der Circular Economy einhalten
  • digitalen Zwillinge - analoge Kennzeichnungen von Services, Materialien und Produkten ersetzen
  • Für Polymere nicht anwendbar

Rethink: Eine systemische Sicht einnehmen, für Kreisläufe planen und designen (auch zirkuläre Systeme rund um das Produkt planen, inkl. Reverse Logistics), Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, bewusste Materialwahl für Kreisläufe (Substitution bedenklicher Stoffe, Materialinnovationen). Intensivierung der Produktnutzung (z. B. durch Product-as-a-Service, Wiederverwendungs- und Sharing-Modelle oder durch das Angebot multifunktionaler Produkte auf den Markt bringen)

Anknüpfung an Normung:

  • umweltbewusste Produktgestaltung
  • Prinzipien der Circular Economy einhalten
  • Servicemodelle
  • sicherheitsrelevante Aspekte
  • normativer Rahmen für gesetzliche Anforderungen
  • zirkuläres Design für Kreisläufe (Design for Circularity)
  • Produktdesign für Qualität, Produktsicherheit
  • Entwicklung von Reverse Logistic
  • Entwicklung neuer zirkulärer Geschäftsmodelle, die auf Normen basieren
  • Materialinnovationen zulassen, Substitution bedenklicher Stoffe
  • Entwicklung zirkulärer Systeme (z.B. Sekundärrohstoffmärkte durch definierte Recyclingqualitäten)
  • Anpassung vorhandener Normen auf Kreislauf-Passung und systemische Sicht (neues Paradigma)

Reduce (by design): Implementierung eines Designs, das Zirkularität ermöglicht (Design for Circularity), Erhöhung der Effizienz bei der Herstellung oder Verwendung von Produkten durch den Verbrauch von weniger natürliche Ressourcen und Materialien sowie Energie, Reduktion des ökologischen Fußabdrucks.



Anknüpfung an Normung:

  • neben der Energieeffizienz auch Material- und Ressourceneffizienz
  • normative Rahmen zu Füge- und Befestigungstechniken -> Zerlegbarkeit
  • standardisierte Prozessanalytik
  • bessere Analytik von Gefahrenstoffen
  • höhere Ausbeute von Recycling -> weniger primäre Rohstoffe
  • Abwägungskriterien für den sinnhaften Einsatz von Material, auch bei Zielkonflikten (z.B. Recyclingfähigkeit versus Materialeffizienz)

Reuse: Wiederverwendung eines Produkts, das noch in gutem Zustand ist und seine Funktion erfüllt (und kein Abfall ist), für denselben Zweck, für den es konzipiert wurde

Anknüpfung an Normung:

  • Informationen für den Zweitnutzer
  • Zusammensetzung/Aufbau
  • Schadstoffen
  • Nutzungshistorie
  • Designstandards für defektfreien Ab- bzw. Ausbau und Zweitinstallation bzw. Einbau
  • ggf. Mindeststandards für Datenlöschung

Repair: Reparatur und Wartung eines defekten Produkts, damit es wieder benutzt werden kann mit seiner ursprünglichen Funktion

Anknüpfung an Normung:

  • Vermeidung von normativen Vorgaben, die Reparatur verhindern
  • Gewährleistung der Produktsicherheit!
  • Kompensation von molekularem Abbau durch den Gebrauch bei Polymeren

Refurbish: Ein altes Produkt wiederherstellen und es auf den neuesten Stand bringen (auf ein bestimmtes Qualitätsniveau)

Anknüpfung an Normung:

  • Vermeidung von normativen Vorgaben, die Refurbishing verhindern
  • Gewährleistung der Produktsicherheit!
  • Das ursprüngliche Produkt bleibt erhalten
  • Möglichkeit einer Produktwiederaufbereitung mitdenken
  • Unterschied zur Wiederaufarbeitung beachten
  • Bei polymeren: Nachstabilisierung und/oder mit besseren Stabilisatoren aufarbeiten, mit Füllstoffen und auch Farben ausrüsten

Remanufacture: Verwendung von Teilen eines ausrangierten Produkts in einem neuen Produkt mit der gleichen Funktion (und im Neuzustand)

Anknüpfung an Normung:

  • Das ursprüngliche Produkt bleibt nicht erhalten -> kein gebrauchtes Produkt
  • Modulare Produktgestaltung, vereinfachte Entnehmbarkeit von Bauteilen
  • genormte Schnittstellen (z.B. bei Elektronikprodukten und IKT)
  • Eignungsprüfungen von gebrauchten Bauteilen
  • Anforderungen an das Inverkehrbringen/Inbetriebnahme
  • Bei Polymeren bedeutet Remanufacturing Altmaterialien ohne die Nutzung der Strategien R4 und R5 direkt in neuen Produkten zu verwenden

Repurpose: Verwendung eines überflüssigen Produkts oder seiner Teile in einem neuen Produkt mit anderer Funktion

Anknüpfung an Normung:

  • „gewollte Zweckentfremdung“
  • nur bedingt vorhersehbar
  • Gewährleistung der Produktsicherheit!
  • gemahlenes Material als Füllstoff verwenden

Recycle: Rückgewinnung von Materialien aus Abfällen zur Wiederaufbereitung zu neuen Produkte, Materialien oder Stoffe für den ursprünglichen oder einen anderen Zweck. Er umfasst die Wiederaufbereitung von organischem Material, nicht aber die Energierückgewinnung und die Wiederaufbereitung zu Materialien, die als Brennstoffe oder für Verfüllungsmaßnahmen verwendet werden sollen

Anknüpfung an Normung:

  • Vermeidung von normativen Vorgaben, die Recycling verhindern
  • z.B. Additive, Flammschutzmittel, sollen Recycling nicht hemmen
  • Gewährleistung der Produktsicherheit!
  • Trennung von Materialverbindungen, wenn sie nicht in im gleichen Prozess reycylebar
  • Recyclingprozesse: Thermochemie, Prozessanalytik und Stofftrennung
  • Qualitätsmanagements und -sicherung
  • No labels

7 Comments

  1. Mir fehlt wie in allen R-Strategie-Listen das circuläre Design für Kreisläufe (Design for Circularity). Nur ein "reduce" wie beschrieben, eine "Erhöhung der Effizienz bei der Herstellung oder Verwendung von Produkten durch den Verbrauch von weniger natürliche Ressourcen und Materialien" ist aus unserer Erfahrung sowie auch der TU Delft, die intensiv an circulärem Produktdesign forscht, nicht ausreichend. Es gibt immer wieder Fälle, bei denen man mehr Material einsetzen muss, um ein Produkt für den Kreislauf fit zu machen (z.B. Reuse Bottles) und bei denen Effizienzstrategien an erster Stelle eine Zirkularität verhindert. Das Design for circularity muss an erster Stelle stehen, danach kann man wo immer möglich Effizienzstrategien einbinden.

    1. Liebe Frau Eser, danke für den wertvollen Hinweis. Ich kontaktieren Sie bezüglich eines Ergänzungsvorschlags. Viele Grüße!

  2. Es ist ein wichtiger Hinweis.

    In der Vergangenheit wurde in vielen Ländern die 3R Strategie verfolgt.

    Besonders in Japan hatte das METI die Entwicklung von immer komplexeren „Einweg Produkten“ gefördert, um den Materialeinsatz zu reduzieren.

    Zwischenzeitlich hat man die Fehlentwicklung bemerkt und propagiert unter Reduse das Ziel „Reduse of Waste“.

  3. Damit bin ich nicht unbedingt einverstanden: Ein Mehrverbrauch von Ressourcen nur um (vielleicht) ein "Produkt für den Kreislauf fit zu machen" halte ich für kontraproduktiv. Ein Minderverbrauch von Ressourcen durch intelligentes Design (sprich intelligente Konstruktion) ist m. E. allemal besser als ein Mehrverbrauch im Design in der Hoffnung, dass durch die konstruktiv erleichterte Zirkularität am Ende doch Ressourcen gespart werden. Dies wäre nur dann vertretbar, wenn die Zirkularität quasi gesetzlich vorgeschrieben würde und daran, dass dieses jemals realisiert werden wird habe ich erhebliche Zweifel. Insofern bin ich doch eher für reduce by Design (der Spatz in der Hand...)

    1. Hallo Herr Horn, ich habe Ihre Anmerkung eingearbeitet. Danke für das Feedback!

  4. Ich stimme Frau Eser zu. Im Prinzip können und werden alle R-Strategien auch in einer linearen Wirtschaftsform angewandt (etwa in Nischenbereichen wie Second-Hand-Läden oder im Recycling-Business ohne dass sich dadurch an der linearen Wirtschaftsform bisher grundsätzlich etwas geändert hat). Der entscheidene Punkt, der die R-Strategien zu zirkulären Strategien macht, ist, dass sie innerhalb eines zirkulären Gesamtmodells oder -systems Anwendung finden, durch das eine Transformation im Prinzip sämtlicher Prozesse zu zirkulären Prozessen und eine zirkuläre Wirtschaftsform angestrebt wird. Für sich alleine genommen, können die R-Strategien das nicht leisten.

    In der Einleitung wird Bezug genommen auf das Papier von Reike et al (2018), das eine Analyse der R-Strategien enthält. Diese werden dann wiederum der UN zugeschrieben (Zitat: "9R-Framework der UN (basierend auf Reike et al. 2018) ....").

    Obwohl es UNEP- und andere UN-Publikationen gibt, die auf die R-Strategien Bezug nehmen, gibt es - soweit mir bekannt - kein offizielles Statement der UN, wodurch die R-Strategien seitens der UN sozusagen "ratifiziert" worden wären, so dass man sagen könnte, die R-Strategien seien "UN-Strategien". Ich schlage daher vor den zitierten Text zu korrigieren. Man könnte z.B. sagen, "9R-Framework, das auch in UN-Publikationen Anwendung findet."

    Schliesslich noch ein Kommentar zur Frage ob es Sinn machen kann für den Mehreinsatzes von Ressourcen zu plädieren, um ein Produkt dadurch zirkulärer zu gestalten. Ich denke, dies muss im Einzelfall entschieden werden. Eine Alternative wäre, manche Produkte vielleicht einfach gar nicht zu produzieren. Natürlich sollte durch intelligentes Design der Einsatz von mehr Material vermieden werden. Dennoch kann der Einsatz von mehr und besserem Material entscheidend zur Lebenszeitverlängerung von Produkten, ihrer Reparierbarkeit, Reuse etc. beitragen (man denke als Negativbeispiel nur an Fast Fashion), wodurch ein wichtiger Beitrag zur Erhöhung der Zirkularität geleistet werden kann (wenn man annimmt, dass die technisch erzielte (potenzielle) Zirkularität nicht durch Konsumentenverhalten und das Business Model von Firmen wiederum untergraben wird).



    1. Hallo Herr Weissinger, ich habe Ihre Anmerkung eingearbeitet. Danke für das Feedback!