Projekttitel: 

Messverfahren von per- und polyfluorierter Chemikalien (PFAS) belasteter Umweltproben durch Kopplung oxidativer-Verfahren mit der Massenspektrometrie für TOF Analysen in Laboren



deutscher ProjekttitelMessverfahren von per- und polyfluorierter Chemikalien (PFAS) belasteter Umweltproben durch Kopplung oxidativer-Verfahren mit der Massenspektrometrie für TOF Analysen in Laboren
englischer ProjekttitelMeasurement methods of perfluorinated and polyfluorinated chemicals (PFAS) of polluted environmental samples by coupling oxidative methods with mass spectrometry for TOF analyses in laboratories



Ideengeber*in:


NameDr. Matthias Stier
OrganisationVariolytics
AdresseNobelstr. 12, 70569 Stuttgart
E-Mail (optional)matthias.stier@variolytics.com
Telefon (optional)

+4917610095817

Website (falls vorhanden)www.variolytics.com


Potenzielle Projektpartner*innen


  • Dr. Marius Mohr, Fraunhofer IGB (Innovationsfeld Wasser)
  • Babriele Beck-Schwadorf, Fraunhofer IGB (Zentrale Analytik)
  • Dr. Thomas Rehm, Fraunhofer IMM (19F-NMR)
  • Thimo Post, InProcessInstruments (IPI) Bremen
  • Patrick Walther, Pfeiffer Vacuum
  • Dr. Björn Mamat, ifectis (ZIM-Netzwerk PerFluSan)
  • Dr. Dietmar Krengel, IUQ DR. KRENGEL GMBH (Institut für Umweltschutz und Qualitätssicherung)
  • Dr. Thomas Leonhardt, Dr.STHAMER GmbH (Löschmittelhersteller)


Ausgangslage


Situation & Bedarf

PFC ist eine Abkürzung für per- und polyfluorierte Chemikalien – auch bekannt als PFAS (per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen) oder PFT (perfluorierte Tenside). Diese Stoffgruppe umfasst mehr als 3000 verschiedene Stoffe. PFAS kommen nicht natürlich vor, doch deren Anwendung ist in der heutigen Gesellschaft nur noch schwer wegzudenken. Vor allem die wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften eröffnen seit den 40er Jahren ein breites Spektrum der Einsatzmöglichkeiten. In vielen Verbrauchsprodukten wie Kochgeschirr, Textilien, Verpackungen und Papier finden sie Verwendung. Aber insbesondere in Löschschäumen werden diese fluorhaltigen Chemikalien eingesetzt. Doch die chemische und thermische Stabilität wird zunehmend zum Problem.

Bereits bei der Herstellung von PFAS oder von PFAS-haltigen Produkten werden diese stabilen Chemikalien in die Umwelt eingetragen. In Kläranlagen können die Substanzen nicht abgebaut werden und werden an die Umwelt abgegeben. Durch Verwendung PFAS-haltiger Löschmittel und den Einsatz von PFAS-kontaminierter Komposterde in der Landwirtschaft wurden z.T. großflächige Schadensfälle verursacht. So sind alleine im Raum Rastatt ≥ 500 ha Bodenfläche mit einem komplexen Spektrum an PFAS verunreinigt, deren mobile Vertreter in das Grundwasser gelangen. Durch landwirtschaftliche Nutzung und Trink- bzw. Brauchwasserentnahme ergibt sich eine akute Gesundheitsgefährdung für den Menschen. Vor allem längerkettige perfluorierte Carbonsäuren (C8-C14) gelten als sehr persistent und bioakkumulierend. Die PFAS-Verunreinigung im Raum Rastatt führt darüber hinaus bereits heute zu Betriebseinschränkungen. Aufgrund des komplexen Schadstoffspektrums und der Abhängigkeit von einer nur für wenige Parameter etablierten und aufwändigen instrumentellen Analytik ist eine umfassende Beurteilung der Boden- und Wasserverunreinigungen im Falle der PFAS derzeit kaum möglich. Im Kontext der Kreislaufwirtschaft, ist es daher von äußerster Wichtigkeit das Messverfahren für PFAS besser und wirtschaftlich sinnvoller werden. Zum einen, würde eine günstigere und weniger aufwendige Messmethodik PFAS Analysen attraktiver für Kunden und Anbieter machen und somit zu einer Steigerung von Messaufträgen führen. Zum anderen, würde eine genaueres Verfahren zur Identifizierung von mehr Schadensfällen führen. Somit könnte sichergestellt werden, dass PFAS-haltige Substanzen in Zukunft nicht mehr in unsere Umwelt gelangen und auch schneller wieder bereinigt werden können. 

Stand der Technik & verwandte Standards

Das internationale Normungsverfahren für Einzelsubstanzen von PFC im Wasser ist ISO/WD 25101. Die deutschen Einheitsverfahren sind DIN 38407-42 (Bestimmung von PFC im Wasser, Abbildung 1) und DIN 38414-14 (Bestimmung von PFC in Gewässersediment, Klärschlamm und Boden, Abbildung 2). Für die Eluatuntersuchung von potenziell kontaminiertem Boden sollte derzeit noch das Elutionsverfahren nach DIN 38414 - S4 (Wasser-Feststoff-Verhältnis 10:1) verwendet werden. In den Verfahren werden Substanzen durch Festphasenextraktion an einem schwachen Anionenaustauscher auf Polymerbasis aus der unfiltrierten Wasserprobe angereichert. Die Festphasen werden mit Wasser und Lösemittel gewaschen und die adsorbierten Substanzen anschließend mit ammoniakhaltigem Methanol eluiert. Die Bestätigung und quantitative Bestimmung erfolgt durch Hochleistungs-Flüssigkeitschromatographie gekoppelt mit massenspektrometrischer Detektion (HPLC-MS/MS). Die Verfahren sind für einen Konzentrationsbereich von 2,0 ng / l bis 10 000 ng / l für PFOS und 10 ng / l bis 10 000 ng / l für PFOA anwendbar. Abhängig von der Matrix kann das Verfahren auch auf höhere Konzentrationen im Bereich von 100 ng / l bis 200 000 ng / l nach geeigneter Verdünnung der Probe oder Verringerung der Probengröße angewendet werden. Verfahren mit direkter Injektion dürfen angewendet werden, wenn die Gleichwertigkeit zu dem genormten Verfahren nachgewiesen und dokumentiert wurde. Nachteilig an dem derzeitigen verfahren ist 1.) bei PFOA und PFOS werden nur lineare (unverzweigte) Isomere gemessen 2.) Ergebnisse sind oft nicht zufriedenstellend, mit einer mittleren Abweichung von 50 %.

Abbildung 1: Validierungsringversuch von Wasserproben nach DIN 38407-42. Dargestellt ist der Vergleichsvariationskoeffizient CVR. In den meisten Fällen liegt der CVR unter 20 %. Bei PFDA wird durch Sorption des Stoffs und bei PFBS in Abwasser durch Störstoffe ein höherer CVR erhalten (Quelle: Dr. Frank Thomas Lange TZW)

Abbildung 2: Validierungsringversuch von Feststoffproben nach DIN 38414-14 (S14). Zum teil wurden die Proben unterschiedlich behandelt.


Neben Spurenanalysen von Einzelsubstanzen, wie den PFAS, haben Wasseruntersuchungen mittels wasserchemischer Summen- und Gruppenparameter wesentlich zur Gewässerqualitätsverbesserung der letzten Jahrzehnte in Deutschland beigetragen. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang vor allem der Parameter AOX (Bestimmung adsorbierbarer organisch gebundener Halogene, (EN ISO 9562:2004, 2005) (H14)), der auch als Abwasserparameter im gesetzlich geregelten Bereich verankert ist. Organisch gebundenes Fluor, welches beim Verbrennungsvorgang der AOX-Bestimmung als Fluorwasserstoff (HF) anfällt, kann im Gegensatz zu den entstehenden Halogenwasserstoffen HCl, HBr und HI nicht erfasst werden. Dies liegt zum einen an der guten Wasserlöslichkeit von Silberfluorid, weshalb die Microcoulometrie als Detektionsmethode ausscheidet. Zum anderen reagiert das entstandene HF mit Glasteilen der Verbrennungsapparatur, was zu Verlusten und Memory-Effekten führt. Ein früherer Versuch, einen zu AOX analogen fluorspezifischen Parameter AOF zu normen (Laschka et al., 1996), war zwangsläufig zum Scheitern verurteilt, u.a. weil keine geeigneten Maßnahmen getroffen wurden, um insbesondere die Störungen durch die Reaktion von HF mit Glas zu beseitigen und weil die Vorgaben bei den drei durchgeführten Validierungsringversuchen von einzelnen Laboren nicht eingehalten wurden.

Der PFAS National Environmental Management Plan (NEMP) vom Januar 2018 definiert TOFA als den Total Organic Fluorine Assay und gibt an, dass „Total Fluoride in organischen und anorganischen Formen“ in die Analyse einbezogen werden (US-EPA-Methode 537 oder 821), um das gesamte Vorhandensein von organischem Fluor in einer Probe zu verstehen und dieses mit dem durch die US-EPA-Methode ermittelten organischen Fluoräquivalent zu vergleichen. Labore haben in Combustion IC (CIC), die Kombination von Verbrennungsaufschluss und Ionenchromatographie, Geräte investiert, um diese Analyse für A3F-Schaumkonzentrate (Löschschaummittel), Wasser- und Feststoffproben wie Boden, Klärschlamm, granulierte und pulverförmige Aktivkohle sowie Wischtücher oder Filterproben durchzuführen. Die Proben sind in Keramikschiffen enthalten und werden in den Ofen gegeben, in dem die Pyrohydrolyse bei 900–1000 °C in einer feuchten, sauerstoffreichen Umgebung stattfindet. Die Proben werden unter diesen Bedingungen oxidiert, wodurch die starke Kohlenstoff-Fluor-Bindung aufgebrochen wird, und die Dämpfe unter Verwendung von Argon durch eine Absorptionslösung geleitet werden. Die bei der Verbrennung von organischem Fluor entstehende HF dissoziiert zu H+ und F- Ionen in der Absorptionslösung, die auch einen internen Standard zur Kalibrierung der Analyseergebnisse enthält. Die Proben werden dann zur Analyse in den Ionenchromatographen überführt, in dem das Fluorid gemessen wird. Die Methode LTM-INO-4370 wurde von der NATA zugelassenen (ASTM D7359-08-konformen). Die direkte Verbrennung von Materialien führt zu einem Wirkungsgrad von 0,05 mg F / kg, der weit unter den NEMP-Kriterien für die Annahme von Deponien liegt und auch die vorläufigen Bodenkriterien für die ökologische direkte Exposition für öffentliche Freiflächen erfüllt. Es ist jedoch zu beachten, dass durch die TOF-CIC-Methode zur Bestimmung von PFOS / PFHxS und PFOA bezogen auf das Molekulargewicht und den Gesamtfluorgehalt lediglich 60 % der Zielverbindungen detektiert werden können. Eine genauere Methode wäre für die TOF Analyse wünschenswert. Der Vergleich der oben genannten DIN-Normen und den Methoden zur Bildung von Summenparametern ist in Tabelle 1 dargestellt.


Tabelle 1: Vergleich der Analyse-Methoden nach DIN-Normen und den Methoden zur Bildung von Summenparametern nach aktuellem Stand


DIN (HPLC-MS/MS)

Summenparameter (TOF, AOF, EOF, POF, IF - CIC)

Dokumentation

Sehr gut, DIN vorhanden.

Jeder Hersteller hat andere Vorgaben.

Arbeitsaufwand

Gering

Hoch

Geräteaufwand

Gering (herkömmliche Geräte)

Hoch

Zeitaufwand

Hoch (Trennung bis zu 30 min)

Hoch ( 1h Extraktion, 15min Trennung)

Wiederfindung und Vergleichbarkeit

Abhängig von Medium, Schwanken

EOF Lösemittel abhängig
AOF Adsorbens und Matrix abhängig

Spezifität

PFC spezifische

Fluor spezifisch

Flüssige Proben

Gut

Gut

Feste Proben

Schlecht

Gut

Probenvorbereitung

einfach

Aufwendig

Aber vollständig automatisierbar

Extraktion

Nur PFCs mit anionischen Gruppen

Feste Proben - kurzkettige PFCs unvollständig

AOF – PFC mit anionische Gruppen
EOF – weniger polare PFCs
IF Clean Up – Verlust von PFCs / Pecourser ohne Wechselwirkung mit Ionenaustauscher

Matrix Abhängigkeit

hoch

Mittel

Aufklärung unbekannter

Möglich, Verzweigte Isomere,
Identifizierung durch MS/MS

Extrakt von EOF & AOF könnten zur Identifizierung mittels LC-MS/MS verwendet werden.

Einzelparameter

10 PFCs

Möglich wenn Standard vorhanden.

Summenparameter

-

Ja

Bestimmungsgrenzen

Trinkwasser 0,003 µg/L
Grund- & Oberflächengewässer 0,01µg/L
Abwasser 0,025µg/L
Klärschlamm 100 μg/kg (Anwendungsgrenzen)

TOF 0,05 mg/kg
AOF 0,01 mg/L
EOF 0,02 mg/kg
50µg/kg Trockensubstanz


Nutzen


Ziel

Ziel des Projektvorhabens ist die Validierung einer neuen Analysemethode, einschließlich der Probenvorbereitung, zur exakten Bestimmung der summarischen Konzentration von PFAS in flüssigen und festen Umweltproben unter Verwendung innovativer oxidativer Verfahren. Dazu sollen nicht-flüchtige PFAS durch die Verwendung geeigneter Plasmen, Elektrooxidationsverfahren, UV-Bestrahlung oder die Kombination aus allem in einzelne flüchtige Fragmente direkt in Flüssigkeiten zerlegt und in Echtzeit detektiert werden. Ein wesentlicher Vorteil gegenüber gängigen Methoden ist, dass die Oxidation sowohl in Flüssigkeiten, aber auch an Feststoffen, wie beispielsweise an Erdpartikeln und in Schlämmen, möglich ist . Eine fehlerbehaftete Extraktion der Fluorverbindungen, durch u.a. adsorptive Eigenschaften, ist deshalb nicht notwendig. Zudem werden nur die organischen Fluorverbindungen, z.B. zu Fluoroform, oxidiert. Solche oxidativen Methoden zur Analyse von PFAS werden als „Total Oxidizable Precursor“ (TOP) Assay1 bezeichnet. Diese Fragmente lassen sich erstmals mit unserem  patentierten Massenspektrometer Einlassverfahren direkt aus Flüssigkeiten detektieren. Dies stellt einen Durchbruch für TOF Analysen dar.


Worin liegt das Optimierungspotential?

Durchweg liegt das Optimierungspotential in der Probenaufbereitung, sowohl für Boden- als auch für Flüssigkeitsproben, da die Durchführung der jeweiligen Schritte mit dem Verlust an Zielverbindungen verbunden ist. Deshalb sind selektive Extraktionsschritte, wie die Festphasenextraktion mittels Anionentauschern zu vermeiden. Auf der anderen Seite ist die Überführung aller Verbindungen durch Pyrolyse in die Gasphase mit anschließendem Lösen in einer Flüssigfalle ebenfalls nicht zielführend. Der Umweg über die Gasphase führt zur Adsorption der Verbrennungsprodukte und einem Verfälschen der Messwerte.

Die Variolytics Methode umgeht diese Problematik, indem die Oxidation der inerten und nicht flüchtigen PFAS direkt in einer Flüssigkeit durchgeführt wird und mittels Flüssigeinlass-Massenspektrometrie zur Bildung eines Summenparameters detektiert wird. Insbesondere bei Bodenproben, könnte das Elutionsverfahren nach DIN 38414 - S4 (Wasser-Feststoff-Verhältnis 10:1) mit der neuen Variolytics-Methode ergänzt werden.


Wer profitiert von der Innovation und dem Standard?

  • Analyse Labore: Die Innovation wird es Umweltanalyselaboren ermöglichen schneller und kostengünstiger TOF Analysen durchzuführen. Zum einen, sind die notwendigen Gerätschaften wesentlich günstiger im Einkauf. Zum anderen, ist der Zeitaufwand und damit auch die laufenden Kosten, niedriger. Für eine vielzahl der aktuellen Proben, die beispielsweise von Bodensanierungsfirmen stammen, ist ein Nachweis über die Zusammensetzung der PFAS in der Probe nicht notwendig. Vielmehr ist die Überschreitung eines Grenzwertes für die Summe an PFAS von Interesse. Im allgemeinen, können die Analysekosten durch die Variolytics Methode gesenkt werden, da erst nach erreichen eines Grenzwerts eine aufwendigere Einzelstoffanalyse ausgeübt  werden muss. 
  • Endkunden: Die Innovation wird dazu beitragen, dass TOF Analysen vom Anbieter günstiger angeboten werden können. Der Endkunde profitiert daher von einem niedrigeren Preis für die TOF Analyse. Zudem kann die sehr einfache Methode auch von weniger erfahrenen Anwendern bedient werden. Ein Einsatz der Methode beispielsweise zur Analyse von Erdaushüben im Rahmen von Sanierungsfällen wäre auch Vorort denkbar.
  • Umwelt & Gesellschaft: Günstigere TOF Analysen werden zu einem vermehrten Einsatz von PFC Kontrollen im Wasser/Abwasser führen. Schadensfälle aufzudecken und die Qualität von z.B. Trinkwasser zu überwachen kann mit der Variolytics-Methode flächendeckend angeboten werden.

Wie werden die Ergebnisse nach Projektabschluss verwertet?

Nach Projektabschluss wird gemeinsam mit Kooperationspartnern das um die Oxidation erweiterte Einlassverfahren am Markt angeboten. Dabei ist ein breites Spektrum an Geräten in Planung. So können kostengünstige und kompakte Geräte für die Messung von einzelproben angeboten werden. Aber auch technisch anspruchsvolle Geräte für den hohen Durchsatz an Proben sind geplant, die zudem in die Laborperipherie eingebunden werden können.


Skizzieren Sie bitte die europäische/internationale Bedeutung

Die wissenschaftliche Literatur liefert umfangreiche Belege für den Zusammenhang zwischen PFOA und / oder PFOS mit schwerwiegenden Krankheiten und negativen Folgen für die menschliche Gesundheit, einschließlich Nieren- und Hodenkrebs, Gewichtsreduktion, Schilddrüsenerkrankungen, verminderter Spermienqualität, hohem Cholesterinspiegel, schwangerschaftsbedingter Hypertonie, Asthma und Colitis ulcerosa und verminderte Reaktion auf Impfungen. Auch die Aufnahme der Schadstoffe aus relativ niedrigen Trinkwasserkonzentrationen können den menschlichen Körper erheblich belasten. Besonders Säuglinge sind sehr anfällig und haben eine höhere Belastung als Erwachsene. Darüber hinaus, kann die Aufnahme von niedrigen PFOA- oder PFOS-Werten in jungen Jahren lebenslange gesundheitlichen Folgen haben. 

Weltweit sind Grundwasser und Oberflächengewässer nahe militärischen Brandübungsgebieten und zivilen Flughäfen stark belastet.  Im Mai 2018 schätzte eine Studie, dass das Trinkwasser von 110 Millionen Menschen in den USA mit PFAS-Chemikalien kontaminiert sei und dessen Konzentrationen die Grenzwerte überschreite. Auch in Europa gibt es vermehrt Schadenfälle die das Ausmaß nur schwer abschätzen lassen.  Um die PFC Belastung in der Umwelt und bei dem Menschen einzudämmen hat auch die EU seit 2010 verschärfte Auflagen an die Wirtschaft gestellt (EU POPs Regulation (EC) No 850/2004). Der politische Wille zur Bekämpfung der PFAS Belastung in der Gesellschaft ist da, jedoch mangelt es noch an innovativen Messverfahren um die Absicht der PFAS Regulierung konsequent durchzusetzen.  Unser Projektvorhaben kann einen wichtigen Teil zur Kontrolle und Minimierung des PFAS Eintrags in unserer Kreislaufwirtschaft beitragen. 


Bestehen Einreichungsmöglichkeiten bei Europäischen und internationalen Normungsorganisationen (CEN/CENELEC/ISO/IEC)?

Da sich die Variolytics-Methode gegenüber den aktuellen Normen unterscheidet oder diese ergänzt, werden Einreichungsmöglichkeiten gesehen. Für die Projektidee besteht auch die Einreichungsmöglichkeit bei der ISO, zum Normungsverfahren ISO/WD 25101, sowie Einreichungsmöglichkeit zur Erweiterung der US-EPA-Methoden 537 &  821.


Skizzieren Sie bitte die Markt- und gesellschaftliche Relevanz

Markt: Der weltweite Markt für Umweltprüfgeräte3 wird voraussichtlich von 2,1 Mrd. USD im Jahr 2018 auf 2,9 Mrd. USD im Jahr 2023 wachsen (7,1% CAGR). Die Anwendungen für Wasseranalysegeräte hatten im Jahr 2018 den größten Marktanteil. Zu den Wachstumsfaktoren zählen: weltweit zunehmende Umweltverschmutzung, zunehmende behördliche Vorschriften und ein zunehmender Fokus auf die Abwasserbehandlung. Das Massenspektrometer-Segment wird voraussichtlich im Prognosezeitraum am stärksten wachsen. Dieser Trend zeigt die starke Nachfrage für Anbieter von Umweltanalysen und die dafür notwendigen Messgeräte und Messmethoden. In Deutschland gibt es 629 Labore4 (Stand 2016) die sich auf Umweltanalytik spezialisieren. Weltweit, betreiben die 7 größten Anbieter für Umweltanalysen 6202 Standorte (Stand 2019). Auch hier zeigt der Markt starkes Wachstum, denn das Thema gewinnt immer mehr an gesellschaftlicher Relevanz.

Gesellschaftliche Relevanz: Das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt befragen seit 1996 alle zwei Jahre Bürgerinnen und Bürger in einer repräsentativen Umfrage5 nach ihren Einschätzungen zum Zustand der Umwelt. Demnach ist die Herausforderungen des Umwelt- und Klimaschutzes für die Menschen in Deutschland bedeutsamer geworden. Insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft sollte Umwelt- und Klimaschutz eine größere Rolle spielen. Dass das Problembewusstsein für Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes zugenommen hat, lässt sich insbesondere mit Blick auf die Jugend feststellen. 78 % der 14- bis 19-Jährigen finden Umwelt- und Klimaschutz sehr wichtig, während es in der Gesamtstichprobe 64 % sind. Für die Jugendlichen ist Umwelt- und Klimaschutz sogar das Thema, dem sie die höchste Wichtigkeit beimessen.

Kompetenzen und Ressourcen


Ressourcen

  • Variolytics: Das Start-up Variolytics hat es sich zum Ziel gemacht, durch Verwendung und Kombination unterschiedlicher Analysemethoden, ausgefeilter Automatisierungstechnik und neuer Algorithmen zur Datenauswertung,  Echtzeitsysteme zu entwickeln. In diesem Kontext ist eine wegweisende Variolytics Innovation das Echtzeit-Prozess-Massenspektrometer, mit dem vollständig automatisiert und mit hoher Standfestigkeit flüchtige Substanzen über einen eigens dafür entwickelten Membraneinlass direkt und kontinuierlich aus Flüssigkeiten detektiert werden können. Das  patentierte Massenspektrometer-Einlassverfahren stellt einen Durchbruch für neue TOF Analysen dar. (DE102015208250A1, EP3292563A1, Offenlegungstag 10.11.2016) 
  • Fraunhofer IGB: Unser Partner, Fraunhofer IGB, forscht seit über 10 Jahren erfolgreich am Abbau pharmazeutischer und chemischer Rückstände in Ab- und Trinkwasser durch UV-, Plasma- und Elektrooxidationsverfahren (EO). Diese Verfahren sollen nun für den Analytik Bereich verfeinert und ein sogenanntes Plasma/UV/EO-TOF Assay entwickelt werden. Zudem besitzt das Fraunhofer IGB im Bereich Wasser und Abwasser eine sehr erfahrene Laboranalytik Abteilung. In Zusammenarbeit soll das Plasma/UV/EO-TOF Assay in die gängigen Analysemethoden integriert und an die Anforderungen im Analyselabor angepasst werden. Eine wesentliche Herausforderung besteht darin, von den entstehenden flüchtigen Oxidationsprodukten auf die ursprüngliche Precursor Konzentration zurückzuschließen. Vor allem vor dem Hintergrund, dass die meisten auftretenden PFAS unbekannter Natur sind. Deshalb soll die Variolytics-Methode mit klassischen Analyseverfahren und einem speziellen 19F-NMR des Fraunhofer IMM referenziert werden. Diese können in einem nächsten Schritt im Umkehrschluss durch das Oxidationsverfahren, zur Verbesserung der Empfindlichkeit und Quantifizierbarkeit, erweitert werden. 

Kompetenzen

  • Die Kombination der Oxidationsverfahren (Kompetenz Fraunhofer) mit dem Flüssigeinlass (Kompetenz Variolytics) ermöglicht erstmalig einen neuen Ansatz zur Verbesserung der TOF Laboranalyse. In Zukunft könnte die Methode auch als Online-Überwachung PFAS haltiger Kontaminationen aus z.B. Waschwässern im Kiesabbau, Trinkwasserentnahmestellen, Vorfluter der kommunalen Kläranlagen, Industrieabwässer, usw., ermöglichen. Ferner können simultan bis zu dreißig andere flüchtige und umweltschädliche Verbindungen im unteren ppb-Bereich detektiert werden. Im Erfolgsfall, könnte die Entwicklung eines online Plasma/UV/EO-TOF-MS-Verfahrens zur dezentralen Überwachung kontaminierter Gebiete und zur Überwachung und Steuerung von Eliminierungsverfahren folgen.


Standardisierungsscope


Der geplante Standard definiert Anforderungen an Messverfahren von per- und polyfluorierter Chemikalien (PFAS) belasteter Umweltproben durch Kopplung oxidativer Plasma-, UV- und Elektrooxidations-Verfahren mit der Massenspektrometrie mit Flüssigeinlass für TOF Analysen in Laboren.


Quellen


1Der Begriff Precursor bezieht sich dabei auf Vorläufersubstanzen, aus denen in der Umwelt u. a. perfluorierte C8-Carbonsäuren hervorgehen. Die bislang etablierten TOP-Assays setzen eine aufwändige und fehleranfällige Extraktion und instrumentelle Analytik voraus.

2Chemical Watch - https://chemicalwatch.com/72680/pfas-time-for-action

3Environmental Testing Equipment Market Report, Markets And Markets, 2018

4Branchenanalyse Laboranalytik, Hans Böckler Foundation, 2016

5Umweltbewusstsein und Umweltverhalten in Deutschland - https://www.umweltbundesamt.de/daten/private-haushalte-konsum/umweltbewusstsein-umweltverhalten#textpart-7


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