Projekttitel: RealCyle of Concrete
deutscher Projekttitel | RealCyle von Beton |
englischer Projekttitel | RealCyle of concrete |
Ideengeber*in:
Name | Christian Kaiser & Volker Thome & Severin Seifert & Sebastian Dittrich |
Organisation | Fraunhofer IBP |
Adresse | Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Standort Holzkirchen Fraunhoferstr. 10 | 83626 Valley | Germany |
E-Mail (optional) | christian.kaiser@ibp.fraunhofer.de |
Telefon (optional) | |
Website (falls vorhanden) | https://www.ibp.fraunhofer.de/ |
Potenzielle Projektpartner*innen
- Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung e. V.
- Realcycle GmbH, von FhG initiertes Konsortium aus mehreren Industrieunternehmen, darunter Recyclingunternehmen, Zementhersteller und Straßenbauunternehmen
Ausgangslage
Beton ist mit 8 Milliarden verbauten Tonnen pro Jahr mit Abstand der meistverwendete Baustoff und nach Wasser auch eines der am häufigsten verwendeten Materialien. Alleine in Deutschland werden jährlich etwa 250 Millionen Tonnen produziert. Schätzungen zufolge fallen weltweit jedes Jahr 2 Milliarden Tonnen an Altbeton an, dessen vollständige Wiederverwertung sowohl natürliche Ressourcen als auch Deponieraum schonen könnte.
Nach derzeitigem Stand der Technik existiert allerdings keine Aufbereitungsmethode, welche eine vollständige Rückgewinnung der Bestandteile als Rohstoffe für die Zement- oder Betonproduktion ermöglicht. Die heute eingesetzten Verfahren, basierend auf mechanischen Zerkleinerungsmethoden wie Backenbrecher oder Prallmühle, erzeugen Produkte bestehend aus Kies mit anhaftendem Zementstein. Eine Wiederverwertung dieser Bruchstücke als Zuschlag in Frischbeton erzeugt Probleme wie geringere mechanische Festigkeiten, einen höheren Wasseranspruch, und ein erhöhter Fließmittelbedarf. So dürfen mechanisch erzeugte Gesteinskörnungen nur unter Auflagen in Recyling-Betonen (RC-Beton) eingesetzt werden:
- Grundsätzlich darf kein rezyklierter Sand in den Korngrößen 0 – 2 mm eingesetzt werden
- Einsatz nur bis zur Festigkeitsklasse C30/37 zulässig
- Keine Verwendung bei Spannbeton und Leichtbeton
Das hat zur Folge, dass RC-Beton z.B. nicht für Decken, Brücken, Staudämme oder Bauteile, die unter einer großen Belastung stehen verwendet werden darf. Allgemein ist RC-Beton derzeit nicht für den Einsatz in hochfesten Betonen, Leicht- und Spannbetonen geeignet. Die Ursache für die reduzierte Festigkeit ist die Schädigung der Kieskörner durch Mikrorisse, welche bei einer mechanischen Behandlung unweigerlich stattfindet. Zudem sind mechanische Zerkleinerungsmethoden für die Aufbereitung nicht besonders effizient. (siehe Abb. 1) Der Aufschlussgrad liegt bei max. 30 %. Durch Kompressionswellen lässt sich zwar ein höheren Aufschlussgrad erreichen, jedoch ist auch keine vollständige Trennung in Kies, Sand und Zementstein möglich. Auch die mechanische Mahlung bietet hier kaum Vorteile. Einzig die Schallimpulszerkleinerung erzielt gute Aufschlussgrade, aber leider keine 100 %-ige Auftrennung. Die Methode ist allerdings sehr energieintensiv und daher vermutlich wirtschaftlich nicht rentabel.
Um Altbeton effektiv aufbereiten zu können, bedarf es also keiner mechanischen Zerkleinerung gemäß dem Motto „aus großen Brocken kleine machen“, sondern eines Trennverfahrens, welches den Verbundwerkstoff Beton wieder in seine Einzelbestandteile Sand, Kies und Zementstein separiert. Die so gewonnenen Rohstoffe stehen dann wieder für neuen Beton zur Verfügung. Sand und Kies als Zuschlagstoffe und der Zementstein als Zement-Ersatzrohstoff für die Zementproduktion.
Nutzen
Um einen maximalen Aufschlussgrad für Altbeton zu erreichen, wird am Fraunhofer IBP an einem Verfahren geforscht, welches in der Lage ist, Verbundwerkstoffe selektiv in ihre Bestandteile zu zerlegen: Die Elektrodynamische Fragmentierung (siehe Abb. 2). Die Methode beruht auf dem Prinzip, dass die elektrische Durchschlagsfestigkeit von Materialien von der Pulsdauer abhängt. So zeigen Festkörper bei Impulsen mit einer Dauer unterhalb von 500 Nanosekunden eine geringere Durchschlagsfestigkeit als Wasser. Dafür wird der zu behandelnde Festkörper unter Wasser zwischen zwei Elektroden platziert und eine Entladung mit besagter Pulsdauer abgegeben. Der Impuls verläuft nun durch den Festkörper um zur Gegenelektrode zu gelangen. Bei Anlegen einer Hochspannung entsteht je nach Elektrodenkonfigurationen ein inhomogenes elektrisches Feld. Dies führt zu einer unterschiedlich starken Polarisation an Kornoberflächen in Abhängigkeit der Dielektrizitätskonstanten des jeweiligen Materials. Darauf bilden sich energiearme Funkenentladungen (sog. „Streamers“) aus, welche entlang der Korngrenzen verlaufen und damit das Material mechanisch extrem vorschwächen. Sobald eine Funkenentladung die Gegenelektrode erreicht kommt es zur Ausbildung eines Plasmakanals, welcher Drücke bis zu ca. 10 GPa aufbaut und damit das Material durch eine Elektroexplosion sprengt. Dies ist der eigentliche Unterschied zu einer mechanischen Aufbereitung: Bei mechanischen Verfahren muss die Druckfestigkeit eines Materials überwunden werden, um es zu zerkleinern, bei der Fragmentierung nur die Zugfestigkeit, welche in Beton nur ca. ein Zehntel der Druckfestigkeit beträgt. Dabei entstehen in den Kieskörnern keine Mikrorisse.
Behandelt man einen Altbeton mithilfe der elektrodynamischen Fragmentierung, so erhält man in der Regel drei verschiedene Fraktionen (siehe Abb. 3):
- eine Kies-Grobfraktion > 2 mm
- ein Gemenge aus Sand < 2 mm und Zementstein
- ein Filtrat aus dem Prozesswasser, bestehend aus amorphen Silikagelen und „sekundärem Kalk“
In einem vom BMBF geförderten Projekt („ELDYNTON“) konnte zusammen mit dem Projektpartner Schwenk Zement KG bereits gezeigt werden, dass die nach einer Fragmentierung erhaltene Grobfraktion mindestens die gleiche Druckfestigkeit in einem Normalbeton mit der Druckfestigkeitsklasse C35 / 45 erzielt wie Kies aus einer primär Quelle. In wie weit sich dieser rezyklierte Kies auch für die Herstellung von hochfesten Betonen eignet, wird am Fraunhofer IBP erforscht.
Worin liegt das Optimierungspotential?
Wie bereits beschrieben, dürfen derzeitige aus Altbeton gewonnene sekundäre Gesteinskörnungen nur für Betone mit einer Druckfestigkeitsklasse C30/37 verwendet werden. Durch den endgültigen Nachweis, dass die durch elektrodynamischen Fragmentierung gewonnene Gesteinskörnungen auch für höhere Druckfestigkeitsklassen und hochfeste Betone (z.B. höchste Druckfestigkeitsklasse C100/115) eingesetzt werden können, wäre es möglich, einen der ressourcenintensivsten Materialkreisläufe zu schließen.
Wer profitiert von der Innovation und dem Standard?
Bei der Zementindustrie besteht ein großer Bedarf sowohl an alternativen Rohstoffen für die Zementherstellung, als auch an Zement-Zumahlstoffen. Die Zementproduktion ist ein sehr CO2-intensiver Prozess und für die Produktion von 1 t Zement werden ca. 700 kg von dem schädlichen Treibhausgas freigesetzt. Weltweit ist die Zementindustrie für ca. 8 % der gesamten CO2-Emissionen verantwortlich. Daher werden dringend Möglichkeiten gesucht, welche die CO2-Emissionen mindern, oder im Idealfall eine CO2-neutrale Produktion ermöglichen.
Ein großes Interesse an der Rückgewinnung von hochwertigen Gesteinskörnungen für die Verwendung in Frischbetonen liegt auch bei den Markteilnehmern wie Betonfertigteil- und Transportbetonwerken vor. Diese benötigen Sand und Kies in riesigen Mengen, um die gewünschte Betonquantität und -qualität zu garantieren. Mit jeder versiegenden Kiesgrube steigt der logistische Aufwand. Es würde sich sogar anbieten, Betonwerk und die beschrieben Aufbereitungsanlage zu koppeln. Dies würde nicht nur Kosten für die Rohstoffe sparen, sondern auch die Deponien entlasten. .
Von der Fraunhofer Gesellschaft wurde zudem die Gründung der „Realcycle GmbH“ initiiert. Durch die Beteiligung von mehreren Industriepartnern, darunter Recyclingunternehmen, Zementherstellern und Straßenbauunternehmen, sollen die Grundlagen für die großtechnische Umsetzung der Idee vorangetrieben werden.
Wie werden die Ergebnisse nach Projektabschluss verwertet?
Ein Standard zur Verwendung von Produkten der elektrodynamischen Fragmentierung in hochwertigen Betonanwendungen und der Nachweis, dass RC-Beton auch ohne Qualitätseinbußen hergestellt werden kann, würde in der Öffentlichkeit die Akzeptanz für RC-Beton erheblich steigern. Ziel ist es bis 2021 die ersten kontinuierlich laufenden Fragmentierungsanlagen für die Aufbereitung von Altbeton im Einsatz zu haben.
Skizzieren Sie bitte die europäische/internationale Bedeutung
Der Verknappung an Rohstoffen für Baustoffe hat sich mittlerweile zu einem internationalen Phänomen entwickelt. Dies verwundert nicht, da jährlich ca. 40 Mrd.t an Sand verbraucht werden. Das entspricht bildlich dargestellt einer Mauer mit 27 m Breite und 27 m Höhe um den Äquator. Der enorme Verbrauch dieser Ressorucen hat mittlerweile zu eklatanten Schädigungen unterschiedlicher Ökosysteme geführt. Auch europäischen Ländern sind bereits betroffen. In Frankreich ist es der Kies, in Schweden der Sand . Es ist offensichtlich, dass diese Ressourcen bei diesem Verbrauch nicht unendlich zur Verfügung stehen werden. Umso wichtiger ist es intelligente Aufbereitungsverfahren zu entwickeln und in die Anwendung zu bringen. Aus Altbeton wird so ein Rohstofflager.
Bestehen Einreichungsmöglichkeiten bei Europäischen und internationalen Normungsorganisationen (CEN/CENELEC/ISO/IEC)?
Es ist das Ziel auch auf europäischer und internationaler Ebene aktiv zu werden.
Skizzieren Sie bitte die Markt- und gesellschaftliche Relevanz
Ein Recycling-Verfahren für Altbeton wäre vor allem für Zementhersteller mit ihren dazugehörigen Transportbetonwerken äußerst interessant, da man vor Ort einen hochwertigen Betonzuschlag und sekundär gebildeten Kalk als Rohstoff gewinnen und in das Zementwerk liefern könnte. Die Herstellung eines zementsteinfreien Zuschlags aus Altbeton würde die Recyclingrate von derzeit 8% verzehnfachen. Durch die Verwendung des zerkleinerten Zementsteins als Zementersatz, können einer Schätzung nach bis zu 16 % der Umweltauswirkungen, welche bei der Zementherstellung entstehen, verringert und die Recyclingquote für Altbeton maximiert werden. In dem Projekt ELDYNTON konnte bereits nachgewiesen werden, dass man das kalkhaltige Filtrat, welches aus dem Prozesswasser nach einer Fragmentierung entsteht, als Ersatzrohstoff für die Zementherstellung verwenden kann.
Das Institut für Klimafolgenforschung in Potsdam (PIK) führte im Auftrag des Bundesumwelt-ministeriums eine Marktstudie durch zur Prüfung ob Wirtschaftswachstum und zugleich eine Verringerung der Treibhausgase möglich ist. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass 30 % weniger Ausstoß von Treibhausgasen die europäischen Investitionen von 18 auf bis zu 22 % des Bruttosozialprodukts ansteigen lassen – die Folge wären bis zu sechs Millionen neuer Arbeitsplätze und bis zu 620 Mrd. € mehr Bruttoinlandsprodukt in den Mitgliedsstaaten bis zum Ende dieses Jahrzehnts.
Kompetenzen und Ressourcen
Das Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP) ist mit 90 Jahren das derzeit älteste Fraunhofer Institut und ist eine »Bauaufsichtlich anerkannte Stelle« für Prüfung, Überwachung und Zertifizierung von Bauprodukten und Bauarten in Deutschland und Europa. Vier Prüflabore des Instituts besitzen die flexible Akkreditierung nach DIN EN/ISO/IEC 17025 der Deutschen Akkreditierungsstelle GmbH (DAkkS). Damit sind sie berechtigt, neue Prüfverfahren zu entwickeln oder vorhandene zu modifizieren. Die Akkreditierte Zertifizierungsstelle ist eine eigenständige Einheit innerhalb des Fraunhofer IBP und führt im Rahmen der Landesbauordnungen und des Bauproduktengesetzes oder der -verordnung Überwachungs- und Zertifizierungstätigkeiten für verschiedene Bauprodukte aus.
Die Gruppe „Baustofftechnologie“ der Abteilung „Mineralische Werkstoffe und Baustoffrecycling“ des IBP verfügt über ein komplett ausgestattetes Baustofflabor, um Betonformulierungen für verschiedene Anwendungen zu erstellen, herzustellen und zu prüfen. Dies beinhaltet sowohl die physikalisch-chemische Analyse der Rohstoffe (Elementzusammensetzung, Mineralphasen, Korngrößenverteilung, etc.) die Bestimmung von Frischbetoneigenschaften (Rheologie, Verarbeitbarkeit, Ausbreitmaß, Kalorimetrie, etc.) Mischungsoptimierungen und Festbetoneigenschaften (Druck-, Biegezugfestigkeit, E-Modul) als auch Einrichtungen zur Untersuchungen zur Dauerhaftigkeit (Frost-Widerstand, Alkali-Kieselsäure-Reaktion, Chlorid-Migration). Das IBP verfügt auch über eine elektrodynamische Fragmentierungs-Laboranlage, auf der die benötigten Versuche durchgeführt werden können.
Standardisierungsscope
Der Anwendungsbereich des geplanten Standards ist für alle Beton produzierenden Gewerbe verwendbar. Der Inhalt des Standards sollte sein, dass man Altbeton mithilfe des Verfahrens der elektrodynamischen Fragmentierung aufbereiten sollte, um hochwertige Zuschläge zu erhalten, die zur Herstellung von Beton in allen Druckfestigkeitsklassen geeignet sind.